Akademie für Psychomotorik

Dr. Andrzej Majewski

Mitglied im Aktionskreis Psychomotorik e.V.

Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Psychomotorik

Członek Polaskiego Stowarzyszenia Psychomotoryki

Was ist Psychomotorik? - 3. Förderung der Wahrnehmungsfähigkeit als zentrales Ziel der Psychomotorik

Jeder Mensch hat „Antennen“: Visuelle und auditive Reize sowie die anderer Sinnesorgane werden wie durch „Antennen“ empfangen.
Diese „Antennen“ machen es überhaupt möglich, dass wir Informationen der Umwelt,  wie z. B. Farben, Formen, Bewegung, Klang, Spüren, Gleichgewicht, Schmecken und Riechen, aber auch körperliche Empfindungen, wie z.B. Schmerzen oder Blähungen wahrnehmen.

Für uns Erwachsene ist das selbstverständlich, dass uns unsere „Antennen“ diese Informationen vermitteln und, dass wir diese Informationen wahrnehmen und weiter verarbeiten.

Aber das war nicht immer so.

Wahrnehmen haben wir erst lernen müssen.

Wenn wir ein Baby in seinem Bett betrachten, sehen wir, dass es auf viele Reize noch weitgehend unorganisiert reagiert. Es sieht doch, hört und spürt. Und trotzdem kann das kleine Kind mit dem Gesehenem, Gehörtem, oder Gespürtem nicht so umgehen wie ein Erwachsener. Warum?

Jeder Mensch muss den Umgang mit den Sinnenreizen erst lernen.

Wir müssen unsere „Antennen“ richtig einstellen. Man kann sich diesen Prozess ein wenig so vorstellen wie beim Ausrichten eines Radio- oder Fernsehempfängers. Beim Fernsehen reicht es auch nicht, nur die erforderlichen Komponenten, wie z. B. Antenne und Gerät zusammen zu schließe. Man muss sie noch abstimmen, ja sogar feinabstimmen. Das geschieht durch viele Versuche die entweder manuell oder automatisch vorgenommen werden.

Beim Menschen ist es ähnlich, nur viel komplizierter. Deshalb unterstützt die Psychomotorik diesen Prozess. Durch vielfältige Bewegungs- und Spielaufgaben und vielfältige  Lösungsversuche der damit verbundenen Handlungsprobleme werden Sinneseindrücke miteinander und aufeinander abgestimmt, damit eine möglichst differenzierte Wahrnehmung der Welt entstehen kann. Wir Erwachsene erleben diesen Prozess auch, wenn wir z.B. Autofahren, Skifahren, oder Klavierspielen neu lernen.
Beispiel Auto fahren: Unsere Augen sehen zwar alles, aber wir müssen erst lernen, die Entfernung und den zeitlichen Abstand zum anderem Auto zu berechnen. Beim Einparken unseres Wagens müssen wir dessen Breite und Länge  förmlich spüren lernen.

Mit psychomotorischen Förderangeboten wollen wir Kinder herausfordern, ihre Sinne adäquat und situationsgemäß mit ihrer Bewegung zu koordinieren und dabei auch emotional und intellektuell angemessen zu agieren.

Reizvolle, abwechslungsreiche, dem Alter angepasste Bewegungsangebote unterstützen diese Entwicklung.

Was soll in den ersten sechs Lebensjahren besonders gefördert werden?

Unten listen wir einige Beispiele der Fähigkeiten, die für die Selbstwahrnehmung und Wahrnehmung der Umwelt relevant sind:

  • Körperbeherrschung → Körperbewusstsein
  • Feinmotorik
  • Sachgerechter Umgang mit Gegenständen
  • Zweckentfremdeter, aber zur Problemlösung führender Umgang mit Gegenständen
  • Verantwortungsbewusstsein und Gerechtigkeitssinn
  • Wahrnehmung und logisches Denken
  • Selbstbewusstsein → Selbstkonzept
  • Soziale Kompetenz
  • Sprache und Zahlenverständnis

Neben Kompetenzen wie soziales Verhalten und Koordinationsfähigkeit ist die Stärkung der Persönlichkeit vorrangiges Ziel einer gelungenen Erziehung in dieser Lebensphase.

Kinder sollen erfahren und verinnerlichen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, um ein (Bewegungs-) Problem zu lösen und dass dazu oft Geduld gebraucht wird. Ziel dabei ist, die kindliche Frustrationstoleranz zu verbessern und das logische Denken zu fördern.

Sie sollen Wünsche, Gefühle und Gedanken so ausdrücken können, dass sie von seinen Mitmenschen verstanden werden. Denn die  Möglichkeit zur sprachlichen- und nichtsprachlichen Kommunikation ist von großer Bedeutung für die seelische Gesundheit.

Auch einen eigenen Standpunkt einzunehmen, ihn begründen können und zu dieser Meinung zu stehen, oder kompromisse schließen, sind wesentliche Fähigkeiten, die das miteinander Leben erst möglich machen. Dazu gehört auch, in bestimmten Situationen ”Nein” zu sagen, wenn zum Beispiel beim Spiel die individuellen Grenzen von überschritten werden, das als angenehm empfundene Verhältnis von Nähe und Distanz gefährdet ist.

Mit psychomotorischen Förderangeboten wollen wir Kinder durch attraktive Bewegungsaufgaben anregen, ihr volles Potential (auch beim schulischen Lernen) auszuschöpfen und sich optimal zu entwickeln.

Wo und mit wem wird psychomotorisch gearbeitet?

Psychomotorische Bewegungsangebote richten sich an verschiedene Adressaten in unterschiedlichen Einrichtungen. Sie werden durchwegs durch die didaktische Leitlinie der Inklusion charakterisiert.

  • Präventiv in Kindergärten, Schulen, Kuren, Sportvereinen etc.
  • Mit Menschen mit Behinderung
  • Mit Kindern und Jugendlichen mit Lernproblemen
  • Mit verhaltensauffälligen Jugendlichen
  • Mit Jugendlichen mit Entwicklungsproblemen
  • In der Integrations- und Eingliederungsarbeit
  • In der Psychiatrie
  • Mit ganzen Familien / systemische Psychomotorik
  • Mit älteren Menschen / Geronto Psychomotorik
  • Mit Menschen mit Demenz / Geronto Psychomotorik

Lesen Sie im nächsten Kapitel weiter: 4. Kinder möchten die Welt verstehen

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