Akademie für Psychomotorik

Dr. Andrzej Majewski

Mitglied im Aktionskreis Psychomotorik e.V.

Mitglied in der Deutschen Gesellschaft für Psychomotorik

Członek Polaskiego Stowarzyszenia Psychomotoryki

Was ist Psychomotorik? - 4. Kinder möchten die Welt verstehen

Die Wahrnehmung ist im sechsten Lebensjahr meist schon so ausgereift, dass Kinder beginnen weniger zu fragen, sondern häufig ihrerseits erklären, warum etwas so ist, wie sie es wahrnehmen.

Dieser Entwicklungsschritt ist wichtig für die Psyche: Das Selbstbewusstsein wächst, die Psyche wird gefestigt.

Die Auseinandersetzung mit der Umwelt spielt eine überaus wichtige Rolle.  Je mehr Kontakte ein Kind im Kindergartenalter  mit anderen Kindern hatte, umso besser lernt es nach der Einschulung, sich in eine neue Gruppe zu integrieren. Es erfährt, dass eigene Interessen denen anderer Kinder gegenüberstehen und Kompromisse geschlossen werden müssen. Eigene Stärken und Schwächen werden ebenso wie die anderer Kinder deutlich. Der Sinn für Gerechtigkeit bildet sich aus.

Die Psychomotorik hat für all diese Adressaten, für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Methoden zur ganzheitlichen Förderung einer optimalen Entwicklung erarbeitet.

Die kindliche Entwicklung von 0-6 Jahren aus psychomotorischer Sicht

Die ersten sechs Jahre vom Säuglingsalter bis zur Einschulung sind die wichtigsten Lebensjahre in der Entwicklung eines Menschen. In dieser Zeit lernen  Kinder verschiedene Fortbewegungsformen: Kriechen, Laufen, Springen, Treppensteigen, Fahrradfahren. Auch die geistige und emotionale Entwicklung schreitet rasant voran. In wenigen Jahren erlernen die jungen Menschen außerdem das Denken, Sprechen, Fühlen, Handeln. Sie erwerben und verinnerlichen die Fähigkeit, eigene Emotionen und Wünsche ausdrücken und Emotionen und Wünsche der Anderen zu begreifen und darauf sozial adäquat zu reagieren.

Das heißt, alle elementaren, entscheidenden Fähigkeiten für das weitere Leben werden in dieser Lebensphase erworben. Die intensive Beschäftigung mit  Kindern, das Bereitstellen und Aufsuchen anregender und reizvoller Lernumgebungen und die emotionale Zuwendung von Bezugspersonen, schaffen in dieser Lebensphase die besten Voraussetzungen für eine optimale Entfaltung der Persönlichkeit. Die Psychomotorik unterstützt mit ihren Bewegungsangeboten und Spielszenarien Kinder die unauffällig in ihrer Entwicklung sind und auch solche Kinder, die durch soziale, psychische oder physische Einschränkungen benachteiligt sind.

Die geistige und die motorische Entwicklung der Kinder

Die geistige Entwicklung ist ein vielschichtiger Prozess. Sie ist mit der Bewegungsentwicklung, der sinnlichen Wahrnehmung wie Hören, Sehen, Fühlen und dem Erlernen der Sprache verknüpft. Im Zusammenspiel von Anlagen, Reifung und Erfahrung lernt ein Kind allmählich, immer komplexer zu "denken". Die folgende Beschreibung der kindlichen Entwicklung in Laufe der ersten Lebensjahre ist als grobe Orientierung zu verstehen. Die Phasen dieser Prozesse können individuell unterschiedlich lange dauern („Die ersten fünf Jahre - Wie sich Ihr Kind entwickelt“ von Richard Michaelis).

Mit Beginn des zweiten Lebensjahres beginnen Kinder im Allgemeinen, sich mit räumlichen Beziehungen auseinanderzusetzen und eine räumliche Vorstellung zu entwickeln:

Sie spielen oft und gern mit allen möglichen Behältnissen und räumen sie unermüdlich ein- und wieder aus: Spielbecher, Schachteln, Töpfe, Würfel, Eimer und Förmchen im Sandkasten, Dosen – spannend ist alles, worin etwas anderes hineinpasst, was man stapeln oder auftürmen kann.

Etwa zur selben Zeit beginnen Kinder sich zu interessieren, wie die Dinge funktionieren und wie man sie handhaben kann. Sie möchten immer mehr selbst machen: sich mit der Bürste die Haare kämmen, allein mit dem Löffel essen, mit dem Telefonhörer am Ohr telefonieren. Dabei entwickeln sie eine immer deutlichere Vorstellung von sinnvollen und zielgerichteten Handlungen.

Ab dem dritten Lebensjahr haben Kinder in der Regel eine stabile innere Vorstellung von Gegenständen und Handlungen, die sie in bisherigen Spielen erworben haben. Wenn etwas nicht vorhanden ist, können sie sich diesen Gegenstand denken oder ein anderer Gegenstand bekommt einfach dessen Bedeutung.

Langsam fangen sie auch an abstrakt zu denken. Dann spielen sie zum Beispiel  mit den Puppen oder Stofftieren kleine Alltagsszenen nach - sie geben der Puppe zu "trinken", der Teddybär wird "gefüttert".  Ein Stöckchen wird zu einem Handy, ein Karton wird zum Auto und ein Baustein zum Flugzeug.

Im vierten Lebensjahr geben sich Kinder nicht mehr zufrieden mit dem, was offensichtlich und sichtbar ist: Mit ihren unermüdlichen Fragen "Warum, wieso, wie, woher, wo, wann?" fragen sie nun verstärkt nach den Hintergründen "ihrer Welt". Dadurch vergrößern sie ihr Allgemeinwissen und verbessern ihre Fähigkeit zum logischen Denken.

Ab etwa fünf Jahren können Kinder die Lösung einer Aufgabe mehr und mehr durchdenken, ohne sie konkret ausprobieren zu müssen. Allerdings lernen sie auch jetzt immer noch am besten durch Erfahrung und eigenes Tun. Sie entwickeln allmählich ein Zeitgefühl und haben das Bedürfnis, zu lernen und etwas zu leisten - sie werden jetzt bereit für die Schule.

Im sechsten Lebensjahr sollten Kinder gelernt haben, sich an verschiedene Regeln zu halten, und mit anderen Kindern zu interagieren. In der Feinmotorik macht sie weitere Fortschritte. Sie lernen, die Schnürsenkel selbst zu binden, Kleidung auf- und  zuzuknöpfen und Reißverschlüsse zu schließen. Diese feinmotorischen Bewegungsabläufe zählen bereits zu den schwieriger koordinierbaren. Die Sprache sollte sich gefestigt haben, neue Wörter werden in der Regel ohne Mühe übernommen. Das Zahlenverständnis wird ausgereifter.

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